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Auch die Tierwelt durchdrang das Kunsthandwerk des Jugendstils

19.08.2010 / 0:42 Uhr — Kreismuseum / duz

Pressefotos Zons. Die Pflanzenwelt durchdrang das Kunsthandwerk des Jugendstils. Das haben die Zonser Ausstellungen "Mohn" (1999), "Iris" (2002) und "Tulpen" (2006) eindrucksvoll belegt. Dabei war die Tierwelt nicht weniger Inspiration für die Künstler der Zeit, wie in diesem Jahr das Bröhan-Museum in Berlin erstmalig in einer großen Sonderausstellung aus eigenem Bestand belegte - und Zons zu einer Übernahme der Idee der Berliner Volontärin Vanessa Sigalas und einem Teil der Objekte anregte.

Das Landesmuseum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus, gehört zu den renommiertesten Jugendstilmuseen in Europa. Es hat für die Zonser Präsentation fast 60 Objekte aus Glas, Keramik oder Porzellan zur Verfügung gestellt. "Unser Dank geht insbesondere an Direktorin Dr. Ingeborg Becker, die bereits in der Vergangenheit mehrfach Ausleihen ermöglicht hat und im Gegenzug Zonser Ausstellungsthemen gerne in ihr Programm übernommen hat", erinnert die Zonser Museumschefin Angelika Riemann etwa an "Iris" (2002) oder "Jugendstil aus Nürnberg" (2008). Dem Nederlands Tegelmuseum aus Otterlo verdankt das Kreismuseum ein prächtiges Fliesenbild von 1908, bestehend aus 96 Einzelfliesen mit einer Pfaudarstellung des Karlsruher Kunstprofessors Max Laueger (1864-1952). Das Deutsche Textilmuseum in Krefeld stellte eine japanische Färbeschablone zum Bedrucken von Kimonostoffen aus dem 19. Jahrhundert zur Verfügung. Besonders erfreulich sind auch Leihgaben aus drei rheinischen Sammlungen, deren Objekte zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zu sehen sind. Und auch das Museum Zons bereichert die Ausstellung aus seinem umfangreichen Bestand.

So präsentiert Zons bis zum 14. November 140 Objekte aus vielen bedeutenden europäischen Manufakturen, die im Jugendstil zu Weltruhm gelangten. Ebenso gezeigt werden in der Ausstellung "Von Pfauen, Libellen und Fledermäusen" Lithografien von Ernst Haeckel aus seinen "Kunstformen der Natur" 1899-1904 (Reprint) oder von Maurice Pillard Verneuil aus seinem L’Animal dans la Décoration, Paris 1897 (Reprint), ein Katagami (japanische Färbeschablone) sowie ein Aquarell des japanischen Künstlers Koson Ohara (1877–1945). Angelika Riemann: "Damit möchten wir einen Überblick über die künstlerische Auseinandersetzung der Tierwelt im Kunsthandwerk des Jugendstils geben." Von Reiz sind im Jugendstil auch die Querverbindungen zu den neuesten Erkenntnissen aus der Biologie, Zoologie und zur der japanischen Kunstauffassung.

In Zons tummeln sich für drei Monate weniger Großtiere wie Bären, Tiger oder Löwen. Vielmehr beherrschen Pfauen, Raben, Krähen, Fledermäuse, Eulen, Füchse, Heuschrecken, Schmetterlinge, Käfer, Spinnen, Marabus, Frösche, Libellen, Schnecken, Fische (wie Karpfen, Seehase, Schellfisch, Taschenkrebse, Muscheln oder Seepferdchen) das Bild. Das diese Tiere als Vorlagen für die Gestaltung im Jugendstil eine Rolle spielten, lag an der Wissenschaft, aber auch an der Kunst, die im 19. Jahrhundert eine Veränderung im Verhältnis des Menschen zum Tier einleiteten. Beispiele in der Kunst finden sich bei Adolph von Menzel "Drei Bären im Zwinger" (1867/1868), aber auch bei Max von Grün "Die Kunstrichter" (1889).

Es entstanden die ersten Zoos (1844 in London), die sich aber von den adeligen Menagerien und Tierhaltungen des 18. Jahrhunderts noch nicht abhoben. Die neuen Auffassungen, die den Tieren eine Seele gaben (was aus christlicher Sicht bis heute nicht geklärt ist) wurden ausgelöst durch Darwins "Entstehung der Arten" 1859, aber auch durch das volksnahe "Brehms Tierleben", das sich ab der zweiten Auflage (1882-1889) zu einem weltweiten Publikumserfolg entwickelte. Alfred Brehm (1829-1884), Anhänger von Darwin, beschrieb Tiere nicht unter rein naturwissenschaftlich nachprüfbaren Kriterien, sondern erläuterte ebenso deren Verhalten und psychischen Eigenschaften. Derartige Strömungen führten besonders im Jugendstil zu völlig anderen Ansätzen in der Auffassung von den Tieren, die bestehende Konzeptionen der Zoos über Bord warfen. Zu nennen ist hier insbesondere Carl Hagenbeck, der ab 1897 die Einrichtung eines gitterlosen Tierparks verfolgte, der dann 1907 in die Tat umgesetzt wurde.

Nachweisbaren Einfluss auf die Angewandte Kunst im Jugendstil hatten jedoch Ernst Haeckels "Kunstformen der Natur" 1834-1919. Dem Zoologen lag es daran, die verborgenen Schätze der Natur ans Licht zu bringen, sie einem größeren Kreise von Freunden der Kunst und Natur zugänglich zu machen. Fasziniert ist er dabei von der geometrischen Gestalt der dargestellten Organismen, die sich in seinen Abbildungen ebenso deutlich widerspiegelt wie der zeitgenössische Jugendstil. Haeckel wollte nicht nur ein wissenschaftlich interessiertes Publikum erreichen, sondern zugleich der bildenden Kunst und dem "moderne(n), mächtig emporgeblühte(n) Kunstgewerbe (…) eine reiche Fülle neuer und schöner Motive" bieten. Er schuf somit eine Verbindung und Brücke zwischen Kunst und Naturwissenschaft. Tatsächlich war der Wirkung seiner Darstellungen auf die Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts, insbesondere auf den Jugendstil, enorm. Künstler, wie Émile Gallé, Hans Christiansen, Karl Blossfeldt und Hendrik Petrus Berlage, wurden von Haeckel beeinflusst. Auch das monumentale Tor des französischen Architekten René Binet auf der Pariser Weltausstellung 1900 wurde von Haeckel ebenso inspiriert wie Binets Buch "Esquisses décoratives", das er 1901 herausgab und zu einem der einflussreichsten Werke des Jugendstils wurde.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen (10 Euro). Öffnungszeiten: Di–Fr: 14–18 Uhr, Sa/So und Feiertage: 11–17 Uhr. Führungen nach Absprache. Fotos: Detlev Zenk
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