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Rübenrock: Jochen Oberlack erzählt Geschichten hinter den Songs

06.10.2024 / 16:14 Uhr — Dormago / duz

Foto: privat / Collage Dormago Jochen Oberlack zwischen Titel und Rückseite von „Rübenrock“
Jochen Oberlack zwischen Titel und Rückseite von „Rübenrock“
Jochen Oberlack alias Jean d´Auberlaque gehört seit Jahrzehnten der heimischen Rockszene im Rhein-Kreis Neuss an. „Als Gitarrist fühle ich mich im progressiven Sound der Siebziger ebenso zu Hause wie im Post-Punk der frühen 80er Jahre“, bewertet der Rommerskirchener sein künstlerisches Schaffen. Vor ein paar Jahren bot sich dem Bänker die Gelegenheit, beruflich kürzerzutreten und eine anspruchsvolle Absicht in die Tat umzusetzen: „Die Rock-Vergangenheit der großen Städte ist weitestgehend erzählt. Für den ländlichen Raum sieht das anders aus. Dabei gab es auch hier Menschen, die versuchten, ihren Traum zu leben.“ Und genau diese Geschichten hinter den Songs wollte Oberlack erfahren und niederschreiben. Seine umfangreiche Recherche über die Rockprovinz begann 2020 und er freut sich, dass sein Buch in Kürze in Druck geht.

„Rübenrock – Die Dokumentation der Musikszene am Niederrhein“ erscheint im renommierten Verlag „Edition Steffan“. Für Verlagsleiter Frank Steffan schließt sich in gewisser Weise ein Kreis: „Ich habe vor 43 Jahren mit dem Titel „Kölsch Rock“ begonnen – einer detaillierten Beschreibung der damaligen Kölner Musikszene.“ In „Rübenrock“ sieht Steffan eine „Hommage an die ganze Region“, in „der Dormagen eine überragende Rolle spielt.“ In der Edition Steffan erschien übrigens auch „Zur Hölle“ von Dormagens Ausbrecherkönig und Heavy Metal-Musiker Detlef Kowalewski.

Rübenrock ist von besonderer Bedeutung nicht nur für die Musiker der damaligen Zeit, sondern auch für Menschen mit Interesse an der Zeitgeschichte. Oberlack hatte anfangs Zweifel, ob er ausreichend Material zusammenbekommen würde, um ein Buch füllen zu können. Doch schon nach einem ersten Interview mit der Grevenbroicher Beat-Band „The Mrs. Great“ war ihm klar, dass die Sorge unbegründet war: „Die Jungs plauderten aus dem Nähkasten und versetzten mich zurück in eine Zeit, als Amateurmusiker zu sein noch ein echtes Abenteuer war - vor allem, wenn man lange Haare hatte.“ Als Oberlack vor einem halben Jahr die Arbeit abschloss, hatte er „rund 70 Stunden Musik gehört, ein paar Wochen in Archiven gegraben, rund 100 Interviews geführt und obendrein ein paar tausend Autobahnkilometer“ hinter sich.

Das zeitgeschichtliche Umfeld habe manchen Song erst möglich gemacht, sagt der Autor. Dies gelte im „Big Rock“ ebenso wie in der Grassroots-Bewegung der 60-er und 70-er Jahre, als überall junge Leute zur Gitarre griffen und „eine Gruppe aufmachten.“ Er fühle sich berufen, diese Story zu erzählen, denn „es ist zum Teil auch meine eigene.“ Als Musiker konnte er in den 80-er Jahren auf das aufbauen, was seine regionalen Vorgänger erstritten hatten: „Die schlugen sich noch mit Polizei, Brauchtumspflegern und Sportskanonen herum und galten regelrecht als Outcasts, wie mir der Schauspieler und Sänger Klaus Prangenberg im Interview erzählte.“ Oberlacks Buch handelt von diesen „unbeugsamen Visionären“ und ist gleichermaßen eine „Würdigung der Kreativität, Leidenschaft und des Durchhaltevermögens dieser Menschen.“

„Es war ein Vergnügen, das zu tun“
„Rübenrock“ handelt im Kern von regionalen Gruppen, aber auch „von den wenigen deutschen Profibands, die sich damals in den 70-er Jahren nicht zu schade waren, die Provinz zu bereisen.“ So führte er Interviews vornehmlich in der Region, aber auch in Hamburg oder in Freiburg, und erinnert sich daran, „ausnahmslos nette Leute“ kennengelernt zu haben. Insofern will er Rübenrock und die Recherche dazu nicht als Arbeit verstehen: „Es war ein Vergnügen, das zu tun.“ Auch deshalb sind Differenzen oder Auseinandersetzungen im Lager der Bands kein Thema des Buchs.

Oberlack erzählt die Geschichte der Rockmusik aus dem Blickwinkel derer, die es nicht darauf anlegten, Profirocker zu werden. „Zwar sind einige der Protagonisten des Buches am Ende genau das geworden, doch das sind eher Ausnahmen.“ Wie Helmut Zerlett oder Michael Dommers als Musiker; Helmuth Rüssmann als Studiobetreiber. Die weitaus meisten Rübenrocker wurden „am Ende Friseurmeister, Kulturdezernent oder Wirtschaftsprüfer.“ Was Oberlack sicher nicht vergessen wird: „Mit Albrecht Metzger („Rockpalast“) in Berlin in seiner Küche zu sitzen und bei ein paar Pullen Bier über die alten Zeiten zu sprechen. Das war sicher ein Highlight.“ Und Lupo von „Grobschnitt“ wusste besser über einen Gig im Nachbardorf Bescheid als ich – und das, obwohl das Ereignis fünf Jahrzehnte zurückliegt und ich damals selbst im Publikum war...“

Aufgepasst: Vorabbestellungen des Buches tragen wesentlich mit zum Erfolg des Projekts bei. Deshalb gibt es einen Subskriptionspreis. Wer vorab bestellt, erhält das Buch für 19,90 Euro, später kostet es im Handel 24,90 Euro. Direkt zum Subskriptionsangebot der Edition Steffan geht es im Shop.

Jochen Oberlack lädt derweil zu einer Release-Party für „Rübenrock“ ein: „Das ist eine Feierstunde, die den Kings der regionalen Rock-Steinzeit gewidmet ist. Interessierte Gäste, die diesen Ehrentitel nicht tragen, sind ebenso herzlich willkommen.“ Mit dabei sind Zweistein aus Norf, Prologue aus Grevenbroich und Steve Catran aus Hemmerden – damit gleich drei der Künstler, die auch in Rübenrock ausgiebig vorgestellt werden. Das „Rübenrockpalast-Festival“ findet statt am Sonntag, 3. November, ab 18 Uhr im Neusser Haus der Jugend, Hamtorwall 18. Der Eintritt ist frei.

Lesereise „Rübenrock
Die Lesereise „Rübenrock“ beginnt am 8. November im Ratssaal des Rathauses Rommerskirchen. Es folgen diverse Veranstaltungen auch in Dormagen. Und im nächsten Jahr hat Jochen Oberlack einiges vor: „Immerhin habe ich rund 70 Stunden großartige Musik eingesammelt, die noch niemals zu Gehör kam. Das sind Songs von bundesweit unbekannten Bands. Oftmals spielen dort echte „Nobodys“, manchmal aber auch Musiker, die später Furore machten. Das werde ich ändern und spätestens im nächsten Jahr mit dem Rübenrock 2CD-Sampler nachlegen. Als bekennender Nerd kenne ich mich aus und ich verspreche, das wird der Hammer.“ Schließlich betreibt er auch sein eigenes Plattenlabel Bellerophon Records.

Ob es eine Webseite mit mehr Rübenrock gibt, ist noch offen und hängt auch vom Erfolg des Buches ab. Oberlack: „Neben den bald 500 Seiten, die jetzt rauskommen, habe ich genauso viel Zusatzmaterial. Ich kann es auch so sagen: Rübenrock könnte meine Lebensaufgabe werden.“

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