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„Gut informierter Patient trifft bessere Therapieentscheidung“

19.06.2025 / 9:48 Uhr — Sprechzeit / duz

Foto: www.depositphotos.com / Bergner / Sprechzeit Das Thema Prostatakrebs interessierte viele Anrufer
Das Thema Prostatakrebs interessierte viele Anrufer
Jährlich erkranken in Deutschland rund 75.000 Männer an Prostatakrebs – ein tiefer Einschnitt im Leben der Betroffenen. Wird der Krebs früh erkannt, zum Beispiel beim jährlichen Prostata-Check-up in der urologischen Praxis, bestehen gute Heilungschancen, denn zu Beginn wächst ein Prostatakarzinom meist langsam. Doch auch im fortgeschrittenen Krankheitsstadium stehen verschiedene Therapien zur Verfügung. Einen wesentlichen Beitrag für den Behandlungsverlauf und die Krankheitsbewältigung leistet die aktive Auseinandersetzung mit der Diagnose. Was Betroffene und Angehörige über Prostatakrebs wissen sollten, dazu informierten Dr. med. Sandra Seseke und Prof. Dr. med. Gencay Hatiboglu in der Sprechzeit anlässlich der von AstraZeneca und MSD Sharp & Dohme initiierten Prostatakrebs Awareness Week 2025. DORMAGO beteiligte sich an der Sprechzeit. Die wichtigsten Fragen und Antworten nachfolgend im Überblick.

Ab welchem Alter und wie oft sollte man zur Prostatakrebsvorsorge gehen? Welche Rolle spielt der PSA-Wert dabei?
Dr. med. Sandra Seseke: Männer können ab 45 Jahren jährlich eine kostenlose Prostatakrebsvorsorge in Anspruch nehmen. Es erfolgt eine körperliche Untersuchung und ggf. eine Ultraschall-Untersuchung. Der PSA-Wert, der im Blut gemessen wird, kann Hinweise auf frühe Stadien von Prostatakrebs geben, ist aber nicht Teil des gesetzlichen Früherkennungsprogramms und muss deshalb selbst bezahlt werden.

Wie verläuft bei einem Krebsverdacht die weitere Diagnostik?
Seseke: Bei Krebsverdacht, etwa wegen einer auffälligen Tastuntersuchung oder einem erhöhten PSA-Wert, wird zunächst der PSA-Wert durch eine zweite Messung bestätigt. Anschließend erfolgen bildgebende Verfahren wie ein MRT der Prostata. Zeigt das MRT verdächtige Bereiche, werden im Rahmen einer Biopsie gezielt Gewebeproben entnommen. Bei einem positiven Biopsiebefund folgen weitere Untersuchungen zur Bestimmung von Lage und Ausbreitung des Tumors.

Welche Stadien gibt es beim Prostatakrebs?
Prof. Dr. med. Gencay Hatiboglu: Prostatakrebs wird in zwei Hauptstadien unterteilt: nicht metastasiert und metastasiert. Das nicht metastasierte Stadium umfasst Tumore, die entweder auf die Prostata beschränkt oder lokal fortgeschritten und in umliegendes Gewebe eingewachsen sind. Sobald Tumorzellen in entfernten Geweben und Organen auftreten, spricht man von einem metastasierten Stadium, das weiter in hormonsensitiv und kastrationsresistent unterteilt werden kann. Eine andere Einteilung unterscheidet drei Stadien: Erstens der örtlich begrenzte Prostatakrebs: Der Tumor ist ausschließlich innerhalb der Prostata, umliegendes Gewebe bleibt frei von Krebszellen. Zweitens der örtlich fortgeschrittene Prostatakrebs: Der Tumor hat angrenzendes Gewebe erreicht, jedoch keine Lymphknoten oder andere Körperregionen betroffen. Drittens der fortgeschrittener/metastasierte Prostatakrebs: Tumorzellen haben sich in entfernten Organen oder Geweben angesiedelt. Diese Klassifikationen unterstützen die Wahl der passenden Behandlung und helfen, den Krankheitsverlauf besser einzuschätzen.

Was sagt der Gleason-Score aus und was bedeutet ISUP-Gruppe?
Hatiboglu: Der Gleason-Score beschreibt die Aggressivität des Tumors und wird mit einem Wert zwischen 1 bis 5 beschrieben. Er ist eine Kennzahl, die aus der Untersuchung von Gewebeproben des Tumors gewonnen wird. Hierbei werden die am häufigsten und zweithäufigsten vorkommenden Tumoranteile beschrieben und die Aggressivität dieser Befunde zusammengezählt. Die internationale Gesellschaft für Pathologie (ISUP) hat hier ein neues Gruppensystem vorgestellt – die ISUP-Gruppen 1 bis 5 basieren auf dem Gleason-Score. Durch die neue Aufteilung kann der Krankheitsverlauf besser bewertet werden. Eine höhere ISUP-Gruppe bedeutet einen aggressiveren Tumor und eine ungünstigere Prognose sowie ein höheres Rückfallrisiko.

Wann ist es sinnvoll, abzuwarten, anstatt zu operieren oder zu bestrahlen?
Hatiboglu: Prostatakrebs ist nicht gleich Prostatakrebs. Entscheidend sind die Aggressivität und das Risiko für das Vorliegen eines klinisch relevanten Tumors. Wird der Prostatakrebs in einem frühen Stadium entdeckt, wächst langsam und wird als „klinisch nicht bedeutsam“ eingestuft, dann ist die aktive Überwachung die Therapie der Wahl. Entscheidend hierbei sind regelmäßige Kontrollen, um Veränderungen des Tumors frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls doch eine Behandlung einzuleiten. Eine aktive Therapie wird heutzutage nur noch bei klinisch relevanten Tumoren – also aggressiven oder fortgeschrittenen Tumoren empfohlen.

In meiner Situation kommen mehrere Therapieoptionen infrage. Wie komme ich zu einer guten Entscheidung?
Seseke: Bei mehreren Therapieoptionen ist eine informierte Entscheidung des Betroffenen ein wichtiges Ziel. Die Wahl der geeigneten Therapie sollte unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, zum Beispiel des Tumorstadiums, des Alters, der körperlichen Verfassung und der persönlichen Präferenzen erfolgen. Eine ausführliche Besprechung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen mit dem behandelnden Arzt ist ein zentraler Faktor. In einigen Fällen kann es hilfreich sein, eine Zweitmeinung in spezialisierten Zentren einzuholen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Nach welchen Kriterien sollte ich die Klinik auswählen, in der die Operation stattfindet?
Hatiboglu: Für die Wahl einer Klinik zur Prostataoperation sind mehrere Faktoren entscheidend: Eine hohe Fallzahl spricht für erfahrene Operateure, Zertifizierungen wie DKG oder DVPD stehen für eine nachgewiesene Expertise. Für eine Klinik sprechen auch ein interdisziplinäres Team und die Orientierung an wissenschaftlichen Behandlungsleitlinien. Auch ambulante Angebote und die Zulassung als reguläres Krankenhaus sind vorteilhaft. Und auch wenn es vielleicht mehr Umstände macht: Die Behandlungsqualität sollte Vorrang vor der Wohnortnähe haben.

Wann ist eine Hormonbehandlung sinnvoll?
Seseke: Eine Hormonbehandlung ist bei Prostatakrebs in verschiedenen Situationen sinnvoll: als Standardtherapie bei fortgeschrittenem Prostatakrebs mit Metastasen, in Kombination mit Bestrahlung bei örtlich fortgeschrittenem Prostatakrebs oder bei lokal begrenztem Prostatakrebs, wenn Operation oder Bestrahlung nicht möglich sind oder abgelehnt werden sowie zur Linderung von Beschwerden. Bei lokal begrenzten Tumoren mit hohem Rückfallrisiko wird sie oft zusätzlich zur Strahlentherapie eingesetzt.

Welche Therapien stehen beim fortgeschrittenen, metastasierten Prostatakarzinom zur Verfügung?
Hatiboglu: Bei einem fortgeschrittenen Prostatakarzinom, das bereits Metastasen gebildet hat, ist die Hormontherapie ein fester Bestandteil der Behandlung. Lange Zeit war dies die alleinige Therapie. Heute wird die Therapie erweitert, um den Tumor noch effektiver zu behandeln und so möglichst lange unter Kontrolle zu halten. Hier kommen sowohl die Chemotherapie, die systemisch, also auf den ganzen Körper wirkt und das Wachstum der Krebszellen hemmt, sowie zielgerichtete Therapien, die in bestimmte Prozesse der Krebszelle eingreifen. Die Wahl der Therapie erfolgt individuell in Absprache mit dem Arzt, unter Berücksichtigung des Krankheitsstadiums, der individuellen Voraussetzungen und Wünsche des Patienten.

Wie hoch ist das Risiko von Inkontinenz oder Impotenz?
Hatiboglu: Nach einer Prostatakrebsbehandlung können Inkontinenz und Impotenz Nebenwirkungen sein. Mit der Einführung der minimalinvasiven Operation und des Da Vinci Operationsrobotersystems konnten die Nebenwirkungsraten günstig beeinflusst werden. Neben der OP-Technik gibt es jedoch auch Risikofaktoren, die der Patient mitbringt, wie etwa Alter oder Übergewicht. Mit den modernen Behandlungsverfahren ist die Inkontinenz heute nur noch selten ein Thema. Die Kontinenzraten werden mit 95 Prozent angegeben. Etwa 20 bis 50 Prozent der Patienten können direkt nach der OP das Wasser gut halten – die restlichen Patienten brauchen meist einige Wochen intensives Beckenbodentraining, bis sie dieses Ziel erreichen. Auch nach einer Strahlentherapie tritt Inkontinenz auf, dann meist jedoch als Dranginkontinenz/Reizblase. Die Symptome bessern sich meist langsam. Anders sieht es mit der Potenz aus. Diese kann – je nach OP-Technik – im Idealfall bei 60 bis 70 Prozent der Patienten erhalten werden.

Mir machen die Diagnose und die Therapie psychisch schwer zu schaffen. Wo bekomme ich Hilfe?
Seseke: Die Diagnose und Therapie von Krebs können psychisch sehr belastend sein. Psychoonkologen bieten hier professionelle Unterstützung, um Ängste zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Sie können Ihnen helfen, die Erkrankung zu verarbeiten, mit Ängsten umzugehen und Ihren Alltag neu zu gestalten. Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt nach psychoonkologischen Angeboten in Ihrer Nähe oder wenden Sie sich an Krebsberatungsstellen, Selbsthilfegruppen oder zertifizierte Krebszentren.

Wo finde ich weitere hilfreiche Informationen über Prostatakrebs im Internet?
Seseke: Es gibt verschiedene Hilfsangebote in der digitalen und analogen Welt. So bietet beispielsweise der „Wegweiser Prostatakrebs“, eine Website der Pharmaunternehmen AstraZeneca und MSD Sharp & Dohme, umfassende und verständlich aufbereitete Informationen zu Symptomen, Diagnose, Therapie und Nachsorge. Auch hilfreiche Materialien zum Download sowie Kontakte zu Selbsthilfegruppen sind dort zu finden. Letztere können Betroffenen eine wertvolle Unterstützung bieten. 

Mehr zum Thema
Je mehr Betroffene über ihre Erkrankung wissen, je besser sie Befunde und Therapieempfehlungen verstehen, desto mehr Ressourcen können sie im Kampf gegen den Prostatakrebs mobilisieren. Informationen über die Früherkennung, Diagnose und Behandlung von Prostatakrebs gibt es hier:
- Krebsinformationsdienst: www.krebsinformationsdienst.de
- Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e. V.: www.prostatakrebs-bps.de
- „Wegweiser Prostatakrebs“ von AstraZeneca und MSD Sharp & Dohme: www.wegweiser-prostatakrebs.de
- Stiftung Deutsche Krebshilfe: www.krebshilfe.de
- Prostatahilfe Deutschland: www.prostata-hilfe-deutschland.de

Die Expertin und der Experte in der Sprechzeit
Dr. med. Sandra Seseke, Fachärztin für Urologie, Niederlassung in eigener Praxis (Urologie Seseke), Halle (Saale)
Prof. Dr. med. Gencay Hatiboglu, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie im Klinikum am Gesundbrunnen, SLK-Kliniken, Heilbronn
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