Talk mit allen acht Bürgermeister-Kandidaten
„Bei der Planung hatte ich gar nicht auf dem Schirm, dass es so viele Bürgermeister-Kandidaten in Dormagen gibt“, schmunzelte Streetlife-Wirt Daniel Fiori gestern Abend bei der Begrüßung in der Kulle. Dorthin war der „Kandidaten-Talk“ umgezogen, weil die Wettervorhersage eine Durchführung unter freiem Himmel vor dem Streetlife eher nicht zuließ. So mussten auch die Macher von „Loss mer schwade“ ihre Technik im Kulturhaus aufbauen, live konnten Interessierte die von Markus Krücken moderierte Veranstaltung auf Facebook verfolgen.
Die vorgesehenen fünf Minuten hielten die acht Kandidaten jeweils in etwa ein, um sich vorzustellen. Sie könne nicht mehr mitansehen, wie Dormagen mit dem Rücken zur Wand steht, begründete Anissa Saysay (43, CDU) ihre Kandidatur. Der parteilose Ahmet Turan Dogan (47) „liebt seine Heimatstadt“ und hat bis jetzt rund 10.000 Euro Erspartes in den Wahlkampf gesteckt, weil der Elektroinstallateur nicht „nur meckern will“. Mit 38 „bin ich hier immer noch das Küken“, betonte Erik Lierenfeld (SPD), Amtsinhaber seit elf Jahren. Er lobte das „gute Miteinander“ in der Stadt und stellte die Strahlkraft von Dormagen als kinderfreundliche Kommune heraus.
Nils Bergschneider (44, Head of Recruiting) tritt für die Satirepartei „Die Partei“ an. Er sah auf dem Podium „links und rechts von mir Satire“, und ist sich sicher: „Das können wir besser.“ Sein bedeutendes Ziel: „In Dormagen soll die größte Hanfplantage entstehen.“ Gabelstaplerfahrer Pierre Milbrath (46, UWG) will ebenfalls nicht nur meckern, sondern „auch mal antreten“, allerdings „nichts versprechen.“ Studiendirektor René Jungbluth (48, Grüne) glaubt, dass das Bürgermeisteramt manchmal überschätzt wird. Er will eine erkannte „Starrheit aufbrechen“ und zu „hundert Prozent authentisch und ehrlich“ sein. Der Technische Angestellte Thomas Freitag (61, Zentrum) will als Bürgermeister „ein wenig anders priorisieren“ und beim Personal überprüfen, ob „alle an der richtigen Stelle sind.“ Last but not least in der alphabetischen Vornamen-Reihenfolge: IT-Abteilungsleiter Torsten Günzel (49, FDP) möchte die Privatwirtschaft stärker einbeziehen. Und: „Wir plakatieren die Freiheit, deshalb sind wir auch gegen das Badeverbot im Rhein.“
Da die Anhänger der jeweiligen Kandidaten in den eigenen Reihen stark getrommelt hatten, befanden sich in der Kulle viele Unterstützer unterschiedlicher Positionen. So drehten sich die Fragen um Themen, die schon länger im Wahlkampf eine Rolle spielen, also überwiegend um Steuern und Wohnungsbau. Interessant, dass die Saysay-Forderung einer Gewerbesteuersenkung auf keine allzu große Gegenliebe stieß. „Steuern runter ist ein sehr einfaches Versprechen“, sagte Günzel. Und Bergschneider meinte ohne jede Ironie: „Wir brauchen keine Hopperfirmen. Wenn wir hier solide Unternehmen haben, dann müssen wir uns um diese kümmern.“
Die seinerzeitige Erhöhung der Grundsteuer hatte aus Sicht von Lierenfeld einen nachvollziehbaren Grund: „Wir wären sonst in die Haushaltssicherung gekommen und hätten nicht mehr in Kitas und Schulen investieren können.“ Die Grundsteuer liege in Dormagen immer noch unter dem Landesdurchschnitt. Einnahmen habe man im Übrigen Familien etwa in Form von niedrigen Kitagebühren zurückgegeben.
Die Aussage von Saysay, „3000 Wohnungen zu bauen ist machbar“, hörte sich an wie das leidliche „wir schaffen das.“ Für Lierenfeld wäre diese Dimension ein „neuer Stadtteil zwischen Rheinfeld und Zons. Das will ich nicht. Mit 100 bis 200 Wohneinheiten pro Jahr ist der Bedarf für Dormagen gedeckt.“ Ein Beleg für die rege Bautätigkeit in Dormagen sei die über 50-prozentige Abschöpfung der Kreismittel für öffentlich geförderte Wohnungen. Die WORADO war „eine gute Idee“, sieht Dogan, aber es müssten auch andere bauen. Was nun mal der Fall ist. „Ich war gegen die Gründung der WORADO, schließe mich aber nicht dem Bashing an“, sagte Günzel: „Was sie baut, das macht sie gut.“
Ein kurzes Thema der Debatte: die Entsiegelung von Plätzen in Dormagen. Das könne die Stadt sich nicht leisten, fand Freitag und hörte die sofortige Reaktion von Jungbluth: „Wenn wir die Stadt nicht klimafest machen, wird es später viel teuer, wenn die Keller voll laufen.“ Jugendplätze werden immer wieder gefordert, aber die Existenz von funktionierenden Jugendeinrichtungen scheint sich bei einigen Kandidaten noch nicht herumgesprochen zu haben. Was Lierenfeld in der Kürze der Zeit hierzu auflistete, dem konnte Milbrath nur zustimmen: „Für die Jugend wird in Dormagen viel getan. Da ist die SPD sehr gut dabei.“
14 Tage vor der Kommunalwahl gab es dann noch allgemeines Gelächter bei den Schlussworten von Bergschneider: „Aus der Rheinwassertransportleitung machen wir eine Rafting-Anlage.“ Wirklich lustig.
Foto(s): © Dormago / duz
