„Hass und Ausgrenzung haben hier keinen Millimeter Platz“
500 Menschen bei spontaner Demo
Da war selbst der junge Veranstalter baff: „Mit so vielen Menschen habe ich nicht gerechnet“, begrüßte Moritz Pfister gestern Abend vor dem Historischen Rathaus die rund 500 Anwesenden, die seinem Aufruf zur Teilnahme an der „Demo für Demokratie. Gegen Faschismus“ gefolgt waren. Der 27-Jährige studiert inzwischen in Wien, kommt aber in den Semesterferien auch immer wieder in seine Heimatstadt Dormagen. Nach all den Demonstrationen der letzten Tage wollte auch er ein Zeichen setzen, suchte innerhalb von zweieinhalb Tagen Unterstützer und konnte zufrieden auf die Menge schauen. Die Zustimmung für die Worte der Redner und die angenehme Zwischenmusik von Clara Krum waren groß.
„Ich hatte eine sorgenfreie Kindheit und habe immer geglaubt, dass die so genannte Mitte zusammenhält und stärker wird. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass die ÖVP in Österreich ihr Wort bricht - schneller als man denken kann wackelt die Meinung - und nun kommt wohl ein rechtsradikaler Bundeskanzler“, blickt Pfister auch voller Verärgerung auf das „Paktieren von CDU und AfD“ in Deutschland. Seiner Meinung nach „brauchen wir eine konservative Kraft, aber wir müssen uns verlassen können. Wer sich so verhält wie Merz, der ist nicht in der Lage unser Land zu regieren.“ Nach dem „Tabubruch“ des gemeinsamen Abstimmens von CDU und AfD fühlt Pfister sich von einem „Teil der so genannten Mitte verraten.“
Elias Ackburally trat dafür ein, „miteinander zu reden und Kompromisse zu finden.“ Das gehe aber nicht mit Rechtsextremen, „die Hass und Hetze salonfähig machen. Sie bedrohen Institutionen, bis sie kippen. Das dürfen wir nicht zulassen“, sagte der Kreistagsabgeordnete der Grünen. „Schweigen bedeutet Zustimmung“, erklärte der stellvertretende Schülersprecher der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule Filip Chmielnicki und betonte: „Dormagen ist weltoffen, tolerant und demokratisch. Hass und Ausgrenzung haben hier keinen Millimeter Platz.“
2015 zog Säbelfechterin Léa Krüger von Nürnberg nach Dormagen. „Hier habe ich Werte und das Miteinander gelernt.“ Die jüngsten Ereignisse im Bundestag hätten ihr bewusst gemacht, „wie fragil alles geworden ist. Wir haben die Pflicht, unsere Stimme zu erheben und uns dafür einzusetzen, dass dieses fragile Fundament nicht zusammenklappt.“ Suzan Sivri, Mitglied der alevitischen Gemeinde, ist in Dormagen geboren: „Als Kind habe ich immer gedacht, wir führen keine Kriege mehr – auch nicht wegen der Religion. Nun haben wir 2025, und viele haben immer noch nichts aus der Geschichte gelernt.“
„Wir sind nicht nur Dormagen, wir sind Deutschland“, rief Mehmet Güneysu. Der Vorsitzende des Dormagener Integrationsrates freute sich wie alle Redner über die Initiative von Moritz Pfister: „Ich lernte ihn kennen, als er noch ganz klein war.“ JUSO-Sprecher Ernest Icellari kam als Zehnjähriger aus Albanien nach Deutschland. Betroffen war er jüngst, als er hörte, wie ein Junge zu seiner Mutter sagte: „Bin ich böse, nur weil ich Ausländer bin?“ Daniel Rinkert machte denn auch deutlich: „Menschen dürfen keine Angst haben. Wir müssen unsere Demokratie und unser Grundgesetz verteidigen. Vielfalt bereichert unsere Gesellschaft“, sagte der Bundestagsabgeordnete der SPD. Es habe 75 Jahre Konsens gegeben: „Mit den Rechten paktiert man nicht.“ Dass „die Konservativen von der AfD im Bundestag verhöhnt wurden“, findet Rinkert aber auch nicht schön.
Dormagens Ehrenbürger und Ehrenpräsident des Deutschen Kinderschutzbundes Heinz Hilgers erinnerte an frühere Demonstrationen in Dormagen, etwa anlässlich des Brandanschlags 1993 in Solingen oder der Aktivitäten der Rechtsextremisten von Pro NRW. „Jetzt stehe ich wieder hier und muss feststellen: In all den Jahren ist nichts nur nicht besser, sondern Vieles leider schlimmer geworden. Frauenrechte werden angegriffen und kein Mensch interessiert sich mehr für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz.“ Zudem hat er das „Gefühl, die Umwelt- und Klimapolitik kommt unter die Räder.“ Was ihm freilich Hoffnung für die Zukunft macht: „So viele junge Menschen sind heute hier. Du kannst stolz sein auf diese Initiative, Moritz.“
Foto(s): © Dormago / duz
