© Suling & Zenk GbR / Erstellt am 05.01.2025 - 00:12 Uhr
29.12.2024 / 10:36 Uhr — Dormago / duz
Aktuell herrscht Zuversicht – die blutrünstige Herrschaft von Bashar al-Assad ist vorbei. In Syrien haben die meisten Menschen die Hoffnung, wieder ein Leben in Frieden aufbauen zu können und schließlich auch zu führen. Doch wer vermag jetzt schon eine sichere Vorhersage zur Zukunft machen. Vermutlich jene, die in Deutschland lebenden Syrern zur sofortigen Rückkehr raten oder sogar dazu auffordern. Viele Geflüchtete wollen auch zurück in ihre Heimat. Aber braucht man dazu nicht einen Plan und die Gewissheit, dass man in Syrien tatsächlich sicher leben kann?
Für Rami Almofleh (33) war ein Weiterleben in der syrischen Hauptstadt Damaskus vor rund zehn Jahren nicht vorstellbar. „Die Lage war viel zu unsicher. Drei meiner Onkel wurden in ihrer Wohnung festgenommen. Wir haben nichts mehr von ihnen gehört“, schildert er die schwierige Lage, in der sich auch seine Familie befand. „Viele Menschen haben lediglich mal über Bashar al-Assad gesprochen und sonst nichts gemacht“, sagt Almofleh, sie landeten aber unter anderem im berüchtigten Foltergefängnis Saidnaja, das im Volksmund „das Schlachthaus“ genannt wurde.
Rami Almofleh entschloss sich zur Flucht und hatte die Absicht, später seine Frau und das damals einjährige Kind nachzuholen. Es waren keine leichten 16 Tage bis zur Ankunft in Frankfurt. Über die weiteren Stationen Gießen, Meinerzhagen und Kierspe kam er schließlich nach Dormagen, wo er ein Wohnungsangebot auf ebay entdeckt hatte – und tatsächlich „als eine Art Ostergeschenk“ den Zuschlag erhielt. Zuvor hatte er im Bergischen Land die Möglichkeit genutzt, eine Ausbildung zum Softwareentwickler zu machen. Und auch die anschließende Bewerbung auf eine entsprechende Arbeitsstelle in Köln war erfolgreich. Die Voraussetzungen für den deutschen Pass waren damit gegeben.
Er wohnt nun zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls Softwareentwicklerin ist, und den inzwischen zwei Kindern in Hackenbroich. Natürlich verfolgt die Familie das Geschehen in Syrien. „Ich spreche jeden Tag mit meinen Eltern“, sagt Rami Almofleh. Er hat den Eindruck, dass es seit der Machtübernahm in seinem Heimatland „besser geworden ist.“ Offenbar sei die islamistische Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) daran interessiert, den Umbruch ohne weitere Gewalt zu gestalten. „Die überwiegende Zahl der Menschen in Syrien wollen in Ruhe und ohne Krieg leben. Deshalb hoffe ich auch, dass bald die Waffen im Norden und Süden schweigen“, hat Ramofleh kein Verständnis für die anhaltenden Auseinandersetzungen. „Auch Israel hat kein Recht, das Land anzugreifen. Die Syrer hatten nie ein Problem mit Juden, aber mit der Regierung Netanjahu.“
Der 33-Jährige hat vor, seine Eltern und die Freunde in Damaskus bei nächster Gelegenheit zu besuchen. Dormagen aber ist zur neuen Heimat geworden: „Wir fühlen uns hier wohl. Ich arbeite ganz normal, wir zahlen Steuern, die Kinder gehen zur Schule“, sagt Rami Almofleh, der auch nach der Öffnung der Gefängnisse nichts von seinen Onkeln gehört hat: „Wir vermuten, dass sie umgebracht wurden. Aber wir wollen es nicht glauben.“
Fotoquelle: Dormago / duz
Rami Almofleh beim Gespräch vor ein paar Tagen in Dormagen |