© Suling & Zenk GbR / Erstellt am 24.11.2024 - 03:17 Uhr
10.11.2024 / 19:43 Uhr — Dormago / duz
Am geschichtsträchtigen 9. November versammelten sich einmal mehr weit über hundert Menschen auf dem jüdischen Friedhof an der Krefelder Straße, um an die schrecklichen Ereignisse der Reichspogromnacht vor 86 Jahren zu erinnern. „Gedenkfeiern wie die heutige haben eine zentrale Bedeutung in der Erinnerungskultur“, sagte Bürgermeister Erik Lierenfeld: „Sie wirken als Mahnmale gegen das Vergessen und bieten eine Möglichkeit, den Opfern von Ungerechtigkeit, Gewalt oder Verfolgung Respekt zu zeigen und deren Schicksale öffentlich zu machen.“
Ob es mit einer solchen Feier auch gelingt, „aus den Fehlern und Gräueltaten der Vergangenheit zu lernen“, wagte Lierenfeld aus aktuellen Anlässen zu bezweifeln: „Sind wir uns unserer Geschichte tatsächlich bewusst? Stehen wir als Gesellschaft geschlossen zusammen, damit sich das Geschehene niemals wiederholt? Noch vor einigen Jahren hätte ich diese Fragen mit einem klaren Ja beantwortet. Doch ich muss zugeben, dass dieses Ja in letzter Zeit immer zweifelhafter und brüchiger geworden ist.“ Durch die Geschehnisse im Nahen Osten werde schmerzlich bewusst, „wie verwundbar der Frieden ist und wie schnell der Hass erneut aufflackern kann.“ Auch in Deutschland werde man Zeuge einer traurigen Realität: „Der Antisemitismus ist neu entflammt. Er lebt nicht nur in den dunklen Ecken unserer Gesellschaften, in den Worten und Taten derer, die Hass verbreiten, sondern ist inzwischen wieder allgegenwärtig.“ Eine „Schande für uns in Europa“ seien Angriffe auf israelische Fußballfans wie jüngst in Amsterdam, erklärte der Bürgermeister.
Und: „In der aktuell gefährlichen weltpolitischen Situation müssen wir einen kühlen Kopf bewahren. Es ist heute wichtiger denn je zusammenzustehen, Kontakte und Freundschaften zu pflegen und im Dialog zu bleiben“, kündigte Lierenfeld trotz der brisanten Lage in Israel den baldigen Besuch einer Delegation aus Dormagens Partnerstadt Kiryat Ono an. Gerade erst gab es einen Austausch mit der israelischen Jugendorganisation Atidna und den Falken aus Dormagen, brachte er seine „Wertschätzung und Freude“ darüber zum Ausdruck, dass „solche Begegnungen auch in diesen alles andere als friedvollen Zeiten stattfinden.“
Der traditionelle Ablauf der Gedenkveranstaltung, ausgerichtet vom Partnerschaftsverein Dormagen-Kiryat Ono und dem städtischen Kulturbüro, beinhaltet stets interessante Wortbeiträge von Schülern weiterführender Dormagener Schulen. Der Leistungskurs Geschichte des Leibniz-Gymnasiums hatte sogar einen Baum mitgebracht, der mit schriftlichen Wünschen und Gedanken geschmückt wurde und künftig eine Heimat im Hackenbroicher Schulgarten erhält. „Es ist unsere Aufgabe, zu erinnern“, erklärten Anna-Maria Bosch, Leo Beuten und Christos Konosidis (Abitur-Jahrgang Q2 vom Bettina-von-Arnim-Gymnasium) und legten Steine auf das Grab der Dormagener Familie Dahl - Steine auf jüdischen Gräbern symbolisieren ewiges Gedenken.
„Die Erinnerung ist ein fester Bestandteil unseres Schulunterrichtes“, betonte Schulsprecherin Luisa Terracina (Realschule Hackenbroich). Sie plädierte für Toleranz und hält viele Nationen an der Schule für „Bereicherung statt Bedrohung“. Ihr Kollege von der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule, Casimir Storm, warnte mit weiteren Schülern vor Gleichgültigkeit: „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, erlebt sie vielleicht zweimal.“ Die Gruppe stellte Kerzen auf das Dahl-Grab, vor dem die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Dormagen-Kiryat Ono, Regina Nawrot, anschließend ein Gebet vortrug. Zum traditionellen Abschluss der Gedenkveranstaltung wird ein Blumengesteck niedergelegt - sicher auch wieder am 9. November 2025, dann am jüdischen Friedhof in Zons.
Fotoquelle: Dormago / duz
Bei der Gedenkfeier wurde ein Blumengesteck niedergelegt |
Der Baum wird demnächst im Hackenbroicher Schulgarten eingepflanzt |
Schüler legten kleine Steine auf das Grab der Familie Dahl |