© Suling & Zenk GbR / Erstellt am 02.12.2024 - 04:00 Uhr
02.10.2024 / 14:17 Uhr — Dormago / duz
Selbst engste Vertraute kannten die Entscheidung nicht. Ob er ein drittes Mal für das Amt des Bürgermeisters antreten würde, hatte Erik Lierenfeld lediglich mit seiner Familie („meinem Fels in der Brandung“) beraten. Im Festzelt in Gohr-Broich, dort wo gerade zum letzten Mal ein Schützenfest gefeiert wurde, beseitigte er gestern Abend fünf Tage vor seinem 38. Geburtstag beim Herbstempfang der Dormagener SPD alle Zweifel: „Ich stelle mich noch einmal zur Verfügung.“ Der spontan aufbrandende Beifall lässt erwarten, dass Lierenfeld bei der förmlichen Nominierung die Zustimmung der Sozialdemokraten erhalten wird. „Seine Dynamik hat das Festzelt mit positiver Energie erfüllt“, bewertete SPD-Fraktionschef Michael Dries den Verlauf des Abends.
In seiner Rede listete Lierenfeld eine Fülle von „tollen Erfolgen“ in seiner Zeit als Bürgermeister auf, vergaß aber auch nicht Misserfolge: „Fehler sind da, um daraus zu lernen.“ Zu den Herausforderungen gesellten sich die zu bewältigenden Krisen Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie – und auch persönliche Schicksalsschläge: vor allem der Verlust des Vaters sowie zwei Bandscheibenvorfälle.
Das Amt des Bürgermeisters sei kein Job sondern eine Lebensaufgabe, betonte Lierenfeld. Er habe an den bisherigen 3754 Tagen als Bürgermeister viel Zuspruch bekommen, „es gab aber auch Grenzverschiebungen in der politischen Debatte. Dazu kann ich nur sagen: Wer mit Dreck schmeißt, an dem bleibt auch was hängen.“ Statt auf Fehler der Vergangenheit hinzuweisen, gelte es, Pläne für die Zukunft zu entwickeln.
Im Interview mit Celina Kruysen und Oliver Baum erfuhren die Gäste, dass Erik Lierenfeld Currywurst mit Reis zu seinem Lieblingsgericht zählt, dass er sich in Dormagen in allen Ortsteilen wohl fühlt, lieber selbst Sport macht als zuzusehen und sich für Pistorius statt Scholz entscheidet. Das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs in Dormagen sei bereits gut, könne aber noch verbessert werden. Der ÖPNV sei im Einsatz gegen den Fachkräftemangel ebenso wichtig wie das Arbeitsklima. Und: „Junge Menschen müssen einen Sinn in ihrer Arbeit sehen und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.“
Lierenfeld sei vorab über die anstehende Übernahme von Covestro informiert worden und vollzieht die Einschätzung des Unternehmens nach: „Wir brauchen Joint Venture, daraus kann sich eine Chance ergeben. Man muss aber aufpassen, dass es keinen kalten Arbeitsplatzabbau gibt.“ Unklar ist, wann sich Kaufland um sein Eigentum „altes Kinogelände“ kümmert: „Irgendwann läuft die Baugenehmigung ab. Ich hoffe, in der nächsten Woche mit den Verantwortlichen bei der EXPO REAL in München zu sprechen.“
Kommunen schaffen es nicht aus eigener Kraft“
Weitere Themen: Die finanzielle Lage in Dormagen und den meisten anderen Kommunen sei dramatisch, erklärte der Bürgermeister: „Die Kassenkredite befinden sich auf Rekordniveau. Ich habe schon häufiger erklärt, dass es die Kommunen aus eigener Kraft nicht schaffen können.“ Lierenfeld verhehlte nicht, dass die teilweise kritisierte Anmietung von Räumen der Rathausgalerie für das Bürgeramt auch dazu diene, dem Leerstand in dem Center entgegenzuwirken. Tatsächlich wurde eine Alternative für die Unterbringung benötigt, „die Situation ist einfach nicht mehr adäquat.“ Die Nutzung der Galerie sei unter dem Strich deutlich günstiger als ein Neubau. Und Lierenfeld prophezeit: „Die Nutzer und die Mitarbeiter werden mit der Qualitätssteigerung mehr als zufrieden sein.“ Eine „Faust in der Tasche“ musste er seinerzeit in Sachen Dienstwagen machen: „Damals gab es nach den Anforderungen des Hauptausschusses nichts anderes, und die Ausschreibung war nicht zu stoppen.“ Künftig werde er ein neues Gefährt nutzen: „In drei Wochen kommt der Volkswagen ID.7.“
Drei Leuchtturmprojekte
Zu Lierenfelds drei Leuchtturmprojekten gehören die Gründung der WORADO, um zügig neuen Wohnraum zu schaffen, der Ausbau von Kitas und Schulen und das Schaffen eines dauerhaften Netzwerks: „Ich will gemeinsam mit den Menschen und den Mitarbeitern etwas bewegen.“ Er ist sich sicher: „Ich habe mich um jedes Anliegen gekümmert, auch wenn ich nicht immer erfolgreich sein konnte.“
Die AfD habe es zuletzt geschafft, junge Menschen in sozialen Medien und besonders bei Tik Tok zu erreichen. Lierenfeld: „Ich war bisher immer der Meinung, bevor ich bei Tik Tok bin, springe ich aus dem Fenster. Aber inzwischen meine ich, dass man diese Medien nicht den Rechten überlassen darf.“ Manchmal müsse man mit dem Zeitgeist gehen, aber immer realistisch bleiben und den „Leuten nichts vom Pferd erzählen.“ Dies gelte auch für die Migration: „Ohne Migration werden die Arbeitsplatzprobleme noch größer. Grundsätzlich ist klar: Wer sich nicht benimmt, gehört hier nicht hin. Aber geschlossene Grenzen können nicht die Lösung sein.“
Und was ist, wenn es bei der Bürgermeister-Wahl am 14. September 2025 nicht klappt, gibt es einen Plan B?: „Ich habe einen von B bis Z. Sollte ich es nicht schaffen, wäre ich traurig. Aber ich freue mich, wenn ich wieder Bürgermeister werde.“
Die Gäste erlebten den Abend bei Currywurst (ohne Reis), Kartoffelsuppe und der angenehmen musikalischen Begleitung von Clara Krum. Die SPD Dormagen sieht derweil in der erneuten Kandidatur Lierenfelds eine Chance für Kontinuität und Stabilität. „Seine Entschlossenheit und Leidenschaft sind genau das, was Dormagen braucht, um wichtige Projekte fortzuführen und trotz der weltpolitischen Krisen der vergangenen Jahre, die auch unsere Kommunen betreffen, optimistisch nach vorne zu blicken“, sagt Carsten Müller, Vorsitzender des Stadtverbandes der SPD.
Fotoquelle: Dormago / bs