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DORMAGO

Werkbänke erinnern an Science-Fiction-Küchengeräte

17.04.2019 / 16:02 Uhr — Susanne Niemöhlmann / duz

Dormagen. Bei der Herstellung individueller Krebsmedikamente kommt es auf Genauigkeit und peinliches Einhalten der Sicherheits- und Hygienebestimmungen an. Die neuen Zytostatika-Werkbänke in der Zentralapotheke der Rhein-Kreis Neuss Kliniken im Dormagener Krankenhaus gehören dabei zum Modernsten, was derzeit auf dem Markt ist.

„Werkbänke“ ist wohl die Untertreibung des Jahres. Mit klotzigen Handwerker-Tischen samt Schraubstock haben die beiden nagelneuen Hightech-Möbel in der Krankenhaus-Apotheke nun wirklich nichts zu tun. Eher erinnern sie vielleicht an Science-Fiction-Küchengeräte mit perfekter Ergonomie und gigantischer Abzugshaube. Doch hier werden keine spacigen Suppen gekocht, sondern Medikamente für die Chemotherapie Krebskranker produziert – individuell auf den jeweiligen Patienten, sein spezielles Krankheitsbild und seine aktuelle Konstitution zugeschnitten. Das geschieht unter strengsten Sicherheitsbedingungen und Hygieneauflagen und durch und durch vertrauenswürdig. Wie wichtig vor allem Letzteres ist, hat erst jüngst der Apotheker-Skandal von Bottrop gezeigt, bei dem es um gepanschte Krebsmedikamente für 3700 Patienten ging.

Wegen der zertifizierten Zentren an den Rhein-Kreis Neuss Kliniken sind es vor allem Menschen mit Darm- oder Brustkrebs, die in Dormagen und Grevenbroich behandelt werden. Für sie werden in der Zentral-Apotheke des Krankenhausverbundes an fünf Tagen pro Woche ganz frisch die benötigten Chemotherapien hergestellt - passgenau für den jeweiligen Patienten und seinen aktuellen Gesundheitszustand am jeweiligen Behandlungstag. Etwa 7000 Zubereitungen waren es im Jahr 2018. „Demnächst werden es mehr sein“, versichert Dr. Julia Potschadel, die Leiterin der Apotheke. „Die Installation der modernen Zytostatika-Werkbänke stellt eine Investition in die Zukunft der Rhein-Kreis Neuss Kliniken dar, da sie die notwendige Patientensicherheit gewährleisten und die Effektivität der Herstellung der Krebstherapien steigern können“, sagt Professor Dr. Dirk Graf, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Onkologie, „letztlich kommt das alles unseren Patienten in Dormagen und Grevenbroich zugute.“

Hohe Sicherheitsstandards
Die Sicherheitsstandards bei der Herstellung der Krebsmedikamente sind hoch, gilt es doch, das Produkt und damit die Patienten und ebenso die Mitarbeiterinnen zu schützen. Immerhin hantieren die drei Apothekerinnen und vier Pharmazeutisch-Technischen Assistentinnen im Dormagener Krankenhaus mit krebsbekämpfenden Substanzen, die einen Tumor töten und so Kranken helfen sollen. Bei gesunden Menschen aber können sie Schäden hervorrufen. Die neuen Werkbänke, in die die Rhein-Kreis Neuss Kliniken rund 50.000 Euro investiert haben, gehören der Sicherheitsklasse 3 an, sie sind mit gleich drei Filtersystemen ausgestattet. Über einen Monitor an der Rückwand können die Fachleute in der Vergrößerung verfolgen, was sie genau tun.

Die Produktion der Zytostatika erfolgt im sogenannten Reinraum. Auch dieser Begriff spielt herunter, was hier gefordert ist: Nicht nur Keime müssen draußen bleiben, sondern Partikel überhaupt. Die Konzentration irgendwelcher Teilchen in der Luft tendiert hier gen Null. Damit das so bleibt, muss jeder Gegenstand, jeder Mitarbeiter eine Schleuse passieren. Täglich werden die Parameter überprüft: Partikel, Bakterien, Pilze. Entsprechen nicht alle Werte 100-prozentig den strengen Vorgaben, wird die komplette Raumluft „gespült“.

LEDs zeigen Betriebszustand an
Ein Plus an Sicherheit bieten die neuen Werkbänke durch verschiedene Warnfunktionen und Hinweise: Farbige LED-Bänder zeigen den aktuellen Betriebszustand an. Sobald Sensoren Personenbewegungen in der Nähe der Arbeitsöffnung registrieren, die Störströmungen in der Raumluft verursachen können, weist das Detektionssystem deutlich darauf hin. Um sich vor möglichen Kontaminationen mit den Wirkstoffen zu schützen, die etwa beim Anstechen der Flaschen entweichen könnten, tragen die Mitarbeiterinnen der Krankenhaus-Apotheke gleich mehrere Schichten Schutzkleidung, in denen sie geradezu futuristisch aussehen. Gearbeitet wird an den Werkbänken immer zu zweit: Während die eine Fachkraft mit der eigentlichen Produktion beschäftigt ist, reicht die andere der Kollegin die benötigten Komponenten oder Arbeitsmaterial an. Eine weitere Mitarbeiterin ist an der Schleuse tätig - überwacht wird der gesamte Prozess von einer Apothekerin. Die prüft außerdem sämtliche Verordnungen immer noch einmal gegen.

Leidglich fünf Tage musste die Zytostatika-Produktion stillgelegt werden, bis die Werkbänke ausgetauscht waren. In dieser Zeit sprang die Apotheke einer befreundeten Klinik ein. Dass die Werkbänke so schnell einsatzbereit waren, ist in den Augen von Dr. Potschadel eine stolze Leistung: „Da haben alle Gewerke hier im Haus – vom Elektriker über den Schlosser bis zur EDV – reibungslos Hand in Hand gearbeitet“, lobt die Pharmazeutin.

 

Fotoquelle: Rhein-Kreis Neuss Kliniken / J. Potschadel

Pressefotos
Hier werden Medikamente für die Chemotherapie Krebskranker produziert
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